Josef Schöberle: Leben und Wirken des letzten Pfarrers von Groß-Waltersdorf

Eine Würdigung


 


 

Geboren:          am 17.08.1902 in Budigsdorf, KreisHohenstadt, Sudetenland. Der Vater war Landwirt

                       und Hausweber und stammte aus Tattenitz. Die Mutter, eine geb. Hartman, war in

                       Budigsdorf zu Hause.

Jugend:            Aufgewachsen, zusammen mit 4 Geschwistern, in Mariakron. Besuch der Volksschule

und ab 1914 des Gymnasiums in Landskron. Einen Teil der Schulkosten verdiente er sich mit Nachhilfe in Latein und Mathematik. 1922 Reifeprüfung mit Auszeichnung.

                       Während der Schulzeit verlor er zwei seiner Geschwister; der ältere Bruder fiel hoch-

dekoriert 1915, die ältere Schwester starb mit 7 Jahren.

Studium:           Bei der Grabrede für einen jungen Priester in Tattenitz fühlte sich Josef Schöberle

                       angesprochen, den Priesterberuf zu ergreifen. Ab Oktober 1922 besuchte er das

                       Priesterseminar in Olmütz. Die meisten Prüfungen absolvierte als ‚ Eminenter’.

                       Am 5.7.1926 wurde er im Wenzelsdom zu Olmütz zum Priester geweiht. Die

                       Primizfeier fand in Tattenitz statt.

Wirken:           1922 – 1933 Kooperator und Religionslehrer in Römerstadt und Umgebung.

                      Ab 1933 tätig als Präses im Staffelstein, Administrator in Reschen und Stadtrat

                       in Römerstadt. Ein unfallbedingtes Nierenleiden führte dazu, sich um die freie

Pfarrstelle in Groß-Waltersdorf zu bewerben. Zu seiner Tätigkeit als Pfarrer übernahm

Josef Schöberle auch den Religionsunterricht in Habicht und Haslicht.

Ab 1938 war sein Wirken nicht immer konform mit der Politik der neuen Machthaber.

1942 wurde er durch die Gestapo verhört und durch eine Person am Ort überwacht.

Vertreibung:     In der Karwoche 1945 hatte der Krieg auch Groß-Waltersdorf erreicht.

Die Kapitulation erlebte Pfarrer Schöberle – zwangsweise ausquartiert - in Tabor. Bei

seiner Rückkehr nach Groß-Waltersdorf fand er ein ausgeraubtes Pfarrhaus vor. Die

vergrabenen Weihegefäße waren unversehrt. Die Nachkriegsverhältnisse im Ort selber waren untragbar.

 Mord und Selbstmord waren an der Tagesordnung.

Josef Schöberle und seine Pfarrhaushälterin, Frau Hedwig Schindler, absolvierten im

Jahr bis zur Ausweisung ein unglaubliches Arbeitspensum. Neben der jetzt auch

tschechischen Pfarrarbeit wurden für die Bevölkerung alle auf den Pfarrmatrikeln

basierenden Dokumente zweisprachig ausgestellt. Es dürfte wohl keine Groß-

Waltersdorfer Familie geben, in deren Besitz sich nicht solche Dokumente befinden.

Sie sind leicht an der in schwarzer Tinte gehaltenen Schönschrift von Frau Schindler

und dem Kirchenpatronatsstempel zu erkennen. Nebenbei galt es die enteigneten und

ausquartierten Pfarrkinder zu betreuen.

 

Die dokumentierten Vertreibungstransporte begannen am 17.5.46 und endeten am

16.4.1947 mit der Aussiedlung der Antifaschisten. Pfarrer Josef Schöberle feierte am

13.9.46 um 5 Uhr in Groß-Waltersdorf die letzte Hl. Messe und wurde zusammen mit

300 Pfarrkindern ausgewiesen. Dieser Transport, insgesamt 1200 Personen

fuhr über Olmütz, Prag, Pilsen Eger, Schirnding und Schwandorf nach Augsburg.

Zusammen mit 150 Groß-Waltersdorfer kam Pfarrer Schöberle ins Lager nach

Günzburg.

Neue Heimat:  Im nahen Leipheim wartete auf Josef Schöberle und Frau Schindler eine schwierige

Aufgabe: die Gründung einer neuen Stadtpfarrei. Zuvor war Leipheim 400 Jahre lang

eine rein protestantische Gemeinde. Die Widerstände gegen die Pfarreigründung,

auch durch einen mächtigen Günzburger Kollegen, sollen unerwähnt bleiben. Die Zeit

bis zur feierlichen Konsekration der neuen Kirche am 7.5.1960 war angefüllt mit

Seelsorge und Religionsunterricht, auch in Riedheim und Günzburg. Von den 4

Glocken der neuen Kirche wurde eine gespendet und dem Groß- Waltersdorfer

Kirchenpatron geweiht. Bis 1968 wurde sie bei Nachricht vom Tod eines ehemaligen

Pfarrkindes geläutet. 1968 war die katholische Bevölkerung in Leipheim und

Riedheim auf 2500 Seelen angewachsen und Pfarrer Schöberle hatte in den 22 Jahren

seiner Seelsorge viele neue Freunde gewonnen. Der Pfarrer von Bubesheim und die

Augustiner in Günzburg waren stets zur Aushilfe bereit, als sich die ersten

Herzbeschwerden einstellten. Da eine Pensionierung noch nicht bewilligt wurde,

ersuchte er um Versetzung in eine kleinere Pfarrei. Dem Gesuch wurde mit

Ingenried:        Versetzung nach Ingenried bei Schongau stattgegeben. Für seine Verdienste erfolgte

die Ernennung zum Geistlichen Rat. Ingenried erhielt 1968 nach 8 Jahren Vakanz

wieder einen Geistlichen. Allerdings wurde die Arbeit nicht weniger; eine Zeitlang

musste zusätzlich die Pfarrei Burggen betreut werden. Ein Herzinfarkt und Versagen

der kranken Niere im Jahre 1970 zwangen zu längerem Krankenhausaufenthalt.

Wieder genesen, versah Geistlicher Rat Josef Schöberle seinen anstrengenden Dienst

bis zum 2. August 1971. Er verstarb plötzlich beim Umziehen zu einem Requiem in

der Sakristei zu Ingenried. Würdiger kann der Tod eines Priesters nicht sein.

 

Herzenswärme und innere Verpflichtung zum Dienst am Menschen begleiteten Josef

Schöberle ein Leben lang. Niemals vergaß er neben seiner Tätigkeit in Leipheim und

Ingenried seine in alle Welt verstreuten Groß-Waltersdorfer Pfarrkinder. 47

verschickte Pfarrbriefe und die jährlichen Heimattreffen sind nur ein kleiner Beweis

dafür. Zu seiner Beerdigung waren Freunde und Pfarrkinder aus alten und neuen

Heimatorten angereist. Kirche und Friedhof konnten die Menschenmenge, darunter

72 (!) Geistliche nicht fassen.

Ein Andenken an ihn steht für alle Zeiten auf der Glocke in Leipheim:


Aus der Heimat vertrieben, sind treu Dir geblieben

die Pfarrkinder von Groß-Waltersdorf an der Oderquelle


 

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